Advanced – Vjing
Workshop

Kunsthochschule Kassel
Montag - Freitag
Beginn : 22.05.2006 Ende : 26.05.2006
Raum 0311 Menzelstraße Nordbau

Theorie: Das Konzept „VJ“ und „VJ-Konzepte“
Praxis Software: Patchen statt coden! Entwickeln einer VJ Software mit VVVV. Eine Einführung gibt Felix. Sein Tutorial könnt Ihr hier downloaden. (Leider läuft VVVV nur auf PCs, dafür gibt es ein kostenloses JV-Patch!). Auf wunsch können die Mac User auch mit Max MSP arbeiten.

Praxis Hardware: Bau einer eigenen Hardware-Schnittstelle (VJ-Bord oder Tastatur, Visuelle Gitarre, Interaktion mit dem Publikum)

 

 


Visual Arts or ClubCouture?
Club-Visuals sind zu einem wichtigen Erscheinungsbild urbaner Kultur geworden. Die Erfinder und Künstler dieser bewegten Bilder sind mit Videoclips, Konsolenspielen und Popmusik aufgewachsen, also statischen Medien, die man nur vorgefertigt findet.
Diese Medienformen reichen vielen von ihnen nicht mehr als Ausdrucksmöglichkeit. Die "Einbildner" (Flusser) erforschen die Grenzbereiche zwischen Live-Performance, Interaktivität und Found Footage. Sie finden ihre Identität nicht in vorgefertigten Aufzeichnungen, sondern wollen ihre visuellen Welten unmittelbar mit dem Publikum entwickeln. Es soll zu einem Live-Ereignis kommen, das nicht wie die Happenings der 60er Jahre für ein ausgewähltes Kunstpublikum geschaffen ist. Vielmehr geht es heute um ein Phänomen, das auf der Club-Kultur aufbaut, die aufgelegte elektronische Musik in Echtzeit einer breiten Zuhörerschaft darbietet. (Liquidvideo http://www.liquidvideo.de/index.php?page=Theme) [sensegenerator]

Technobilder
Flussers fünfstufuges Bildmodellsystem
4 Dimensional: Das „konkrete Erleben“
3 Dimensional: Interesse an Gegenständen
2 Dimensional: traditionelle Bilder, „anschaulich und imaginär“ [Lasceaux, Jeff Wall]
1 Dimensional: Seit etwa viertausend Jahren: Text [Ikone]
0 Dimensional: nachalphabetischen Phase, der Text veriert an Funktion [Global Groove]

Der Unterschied zwischen traditionellen Bildern und technischen, bzw. „Technobildern“ wie Fotografien, Film, Video, statische Kurven, Diagramme und Verkehrszeichen und -Symbole, sieht Flusser auf der Bedeutungsebene: während traditionelle Bilder Szenen sind, sind Technobilder Texte. (Vilém Flusser "Technobilder" http://de.wikipedia.org/wiki/Vil%C3%A9m_Flusser) [Daniel Pflumm]

Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte
Ein Bild sagt Anderes als Worte
Sind Worte nur Information?
Sind Bilder magisch, weil sie Dinge ausdrücken können, die man mit Worten nicht darstellen kann?
Bilder können auch Texte sein. Emblem Technik aus dem Barock (Zusammenspiel von Begriffen, Texten und Bildern)
Wie nehmen wir Bilder war, gleichzeitig (Repräsentanzen im Gehirn) oder sequenziell (Kognitive System)? [http://www.giraffentoast.de]

5 Bild-Reverenzsysteme
(intrigieren jeweils die Vorgänger Systeme) nach Hans Ulrich Reck
1. Symbolisch (mechanische Unterweisungskunst, stabile Zuweisung zu Inhalten ) [Grünewald]
2. Mathematisch / Technisch (Verdopplung des Sichtbaren, Kulturelle Errungenschaft kann alles zeigen, Beispiele: Teufel, Pornografie) [Jürgen Klauke]
3. Expressive/Surreal (Erzeugung der Qualitäten parallel zur Natur nach den Gesetzen der Malerei) (Wie visualisiert man Elektrizität?) [Funkstörung Clip von Schmidt8]
4. Semiotisch / Konzeptionell (Metareflektion, Zeichen, Das Vermittelte ist über das System in dem es dargestellt wird.) [Velasquez, Sol LeWitt, Hans Richter]
5. Techno / Imaginäre (Der Geist befreit sich vom Leib, was früher mit Meditation angestrebt wurde wird nun durch Technologie ermöglicht? Das Semiotisch/Konzeptionelle System wird nicht integriert!) [Tron-00:29, Matrix-01:07]
(Audio Lecture von Hans Ulrich Reck www.khm.de/audiolectures)

Das Konzept VJ
„VJ“ steht für „Visual Jockey“ (nicht für „Video Jockey“). Das Konzept hinter dem Begriff VJ hat sich wie das Name erahnen läst aus dem des Disc Jockeys und dem des Light Jockeys entwickelt. Als Vorläufer können zahlreiche Experimente mit genannte werden, die bereits im 18. Jahrhundert begannen und in denen es darum ging mit Licht Musik zu visualisieren. (Umleiten des Sonnenlichtes mittels Prismen und Spiegel, Kerzenlicht, Gasflammen, Glühbirnen, Erfindung des Dimmers, Oszilloskop, Dias, Filmschleifen, Bubbles…) Die Apparaturen trugen Namen wie Farborgel, Klavilux, Chromatopes… http://www.olafval.de/pdf/Bubbles.pdf
http://de.wikipedia.org/wiki/Visual_Jockey

Wichtig für das Grundkonzept des VJs sind die Echtzeit-Performanz und das Arbeiten mit Found Footage. Im Zentrum des VJ-Konzeptes steht in Parallele zum DJ das Mischpult und mit ihm das Montageprinzip wonach aus A + B = C wird. Das Set aus zwei Videoquellen und einem Mixer erlaubt es, mit dem gleichen Material (den der Materialfundus einen VJ erweitert sich in der Regel schrittweise) in jeder Performanz etwas Einmaliges zu Zeigen. Die Qualität des Live Acts wird darin gesehen, wie gut dabei auf die Musik und die Stimmung des Publikums reagiert wird. Weitere Faktoren sind das Set Up (Installation im Raum) und die Ausstrahlung des Performers. Die Voraussetzungen für eine VJ-Performanz bilden Footage und die VJ-Tools. Hier gibt es von Anfang an viele Konzepte für das Zusammenspiel von eigenem mit gefundenem Videomaterial, so wie die Verwendung unterschiedlichter technischer Geräte. Obwohl inzwischen immer perfektere VJ-Instrumente als fertige Produkte angeboten werden gibt es immer noch VJs, die ihre Tools selbst bauen. (Beispiel für zeitgemäse VJs: Giraffentoast www.giraffentoast.de)

Die elementaren Schwächen des „herkömmlichen“ oder aktuellen VJ-Konzeptes liegen darin, dass lediglich bestehende Konzepte für Lightshows und Musik auf die Video Technik übertragen werden. Das live Mixen, Sampling und mit Effekten verfremden gibt es schon lange beim DJ. Licht Jockeys visualisieren seit über Hundert Jahren Musik mit Farben, Formen und Bewegungen.

Die Bilder haben sich von der Realität gelöst
Nach Flusser befinden wir uns in der Zeit der Nulldimensionalen Bilder.
Baudrillard beschreibt, wie „die Bilder der Medien mächtiger und wirklicher geworden sind als die Wirklichkeit selbst“. (Jean Baudrillard http://de.wikipedia.org/wiki/Jean_Baudrillard)
Die von Régis Debrays definierte Videosphäre gilt als Gegenwart der Bildkultur und markiert zugleich das durch digitale Medien herbeigeführte Ende der Repräsentation.

Bilder, Filme, Videos sind nicht mehr Repräsentanten für Etwas „Reales“. In Postmoderne haben sich die Bilder zu Zeichenverknüpfungen entwickelt, die über ineinander verschachtelte Metaebenen ausschließlich Repräsentanzen zu anderen Bildern bilden. Die Vorstellung ein einer „Bilderhöhle“ leben zu müssen, erscheint in seiner Radikalität bedrohlich. Man könnte an dieser Stelle ein Ende des „Optischen Glaubens“ fordern. Mit einer Dekonstruktion der Bildsysteme wäre man wahrscheinlich auch kein Schritt weiter. Lars von Triers „Dancing in the Drak“ kann als eine klare Aussage gegen den „Optischen Glauben“ gedeutet werden. (Lars von Triers, Dancing in the Dark http://www.dancerinthedark-film.de)

In diesem immer undurchdringbaren System aufeinander verweisender Bilder ist die Frage nach der Entstehung der Bilder entscheidend. Wie generieren sich neue Bilder aus dem Bildernetz? An dieser Stelle setzt das „Advanced VJing“ an, indem es die Entstehungsprozesse der Bilder transparent macht. Die Visuals zeigen dann keine Bilder, sondern die Möglichkeiten von Bildern. (Dr. Oliver Fahle konstruiert diese Idee von der Möglichkeit der Bilder in seinem Vortrag zur Evolution des Bildes „Das Bild und das Sichtbare“. http://www.uni-weimar.de/projekte/vj/bildbauspiel/lectures.htm)

Strategien zur Vermittlung von Bildendstehungsvorgänge
Bisher wird die Aufmerksamkeit des Betrachters wenn überhaupt nur durch die Bilder selbst auf ihre Entstehung gelenkt. So werden zum Beispiel die Eigenschaften der verwendeten Medien wie zum Beispiel analoges oder digitales Video durch absichtlich eingesetzte Bildfehler sichtbar. Auch der Loop und die Zeitlupe entlarven die einzelnen Filmfragmente, da sie einer genaueren Betrachtung unterzogen werden. In manchen Situationen lässt sich auch ein Compositing auf der Leinwand nachvollziehen, wenn zunächst eine Videoebene gezeigt wird, die erst schrittweise mit weiteren Layern versehen wird. Doch in den meisten Fällen, versucht der Vj sich nicht in das Handwerk gucken zu lassen und empfindet es als profan oder befremdlich, wenn das Publikum mehr an Hard oder Software interessiert ist als an den Visuals.

Fragestellungen an den Prozess der Bildendstehung
- Was sind die Quellen für das VJ Footage, und wie könnte man diese sichtbar machen?
(Eigene Camera, Studioaufnahmen, Fernsehen, File Sharing Tools, Internet...)
- Wie wird das Bildmaterial aus diesen Quellen ausgewählt, analysiert, sortiert und gespeichert (Bildanalyse, Datenbanken)?
- Wie wird das Material bearbeitet, verfremdet, mit Effekten versehen, Teile isoliert, geschnitten…?
- Wie wird das neue Bild (Video) Material in der Liveperformanz abgespielt, neu verknüpft, rhythmisiert, moniert? (Bildmischer, Filesystem der VJ-Software)
- Wie kommt es zur Interaktion mit Musik und Publikum?
(Audio tracking, Parameter der VJ-Software wie Speed, …)
- Welches Interfaces bietet sich dem VJ, Anbindung an seinen Körper?
(Keyboard, Grafiktablett, Devices)

Strategien für ein „Advanced VJing“
Eine direkte Möglichkeit des VJing transparent zu präsentieren, wäre es die VJ-Software ebenfalls auf einer zusätzlichen Leinwand zu zeigen. Die Oberfläche des Programms (Skin) könnte hierfür so modifiziert werden, dass sie genauso interessant für das Publikum wird, wie der Videochanal, den sie generiert. Denkbar wäre auch eine Verkleinerung und Umgestaltung des VJ-Tool-Interfaces so dass es in den Videochanal eingeblendet werden kann. Es könnte wie ein Lebewesen die Videos, welche aus der Datenbank „auftauchen“ herbeiziehen, verknüpfen und bearbeiten.

VJ-Automat
Um die oben genannten Fragestellungen an den Prozess der Bildendstehung eindeutig beantworten zu können, müsste man für alle Arbeitsvorgänge die ein VJ von Hand bearbeitet automatisieren. Am Ende dieses Gedanken stünde die utopische Maschine eines VJ-Roboters, der dem VJ die ganze Arbeit abnimmt, so dass dieser seine ungeteilte Aufmerksamkeit auf die Weiterendwicklung der Bild Konzept richten kann. Ein solcher Automat müsste auf alle genannten Fragen mit einem Algorithmus Antworten können, dieser ließe sich auf vielfältige weise für das Publikum verständlich visualisieren.

VJ-Körper
Wem der technische Ansatz des Automaten in die falsche Richtung führt, da ihn die Rolle des VJ als Person, Mensch, Körper oder Individuums wichtig erscheint, der könnte für ein „Adavanced VJing“ die Präsenz des VJ bei seinem Auftritt gestalten. Die Information, dass die Visuals von jemand kommen, der hinter seinem Laptop sitzt und einen Bildmischer bedient ist nicht ausreichend. Sven König führt vor wie sich Visuals durch ein Mikrofon steuern lassen, andere VJs hängen sich das Keyboard wie eine Gitarre um, die ALU/Bubbles Installation bietet den Zuschauern ein Interfaces und es gab einige Ansätze die Parameter aus dem Raum mit Sensoren erfassen, um die Visuals reagieren zu lassen.

Filter
http://effectv.sourceforge.net

Nicolas Boillot, sampelTV http://fluate.net/chapter.php?f=5
Mario Klingemann (Islands Of Consciousness) http://incubator.quasimondo.com

Realtime Editoren
Mary Flanagan, virus http://www.maryflanagan.com/virus.htm
Sven König, scrambedhackz http://www.popmodernism.org/scrambledhackz
Marcus Wendt, nervousink http://www.marcuswendt.de/sketch/nervousink

Devices
ALU/Bubbles http://www.olafval.de/alu
http://www.buan.de/php/gocms/cms.php?id=A-1-H.c115.cXa

Audiolectures
http://www.uni-weimar.de/projekte/vj/bildbauspiel/lectures/anjou.htm

Buchtipp
Techno Visionen, Neue Sounds, neue Bildräume, hg. von Sandro Droschl, Christian Höller, Harald A. Wiltsche, Wien-Bozen 2005 http://www.textem.de/755.0.html

Kontrolle sakkadischer Augenbewegungen http://www.twk.tuebingen.mpg.de/twk98/Veye.html

Geotagging von Bilden:
http://flickr.com/groups/geotagging
http://confluence.org
http://www.geocaching.de

Olaf Val


 

www.olafval.de/workshop